Prolog
Meine fünfte große Tour durch den Harz sollte mich 31 km von Hahnenklee über Altenau nach Bad Harzburg führen, um mich kurz vor Bad Harzburg genau einen Stempel der Harzer Wandernadel ergattern zu lassen.
Start im Morgengrauen
Am 2. Dezember 2012 - den ersten Advent - breche ich in Hahnenklee mit dem ersten Morgengrauen - mit anderen Worten gegen halb acht - auf. Bei Bad Harzburg fehlt mir noch ein Stempel der Harzer Wandernadel, der einzige in dieser Gegend, und so schicke ich mich an, den ganzen Weg für einen einzigen Stempel zu laufen. Da bekanntermaßen der Weg das Ziel ist, soll dieser Stempel nur als kleine Krönung des Ganzen herhalten. Der erste Schnee des Winters hat sich in einer deckenden Schicht über alles ausgebreitet, was eine sehr schöne Stimmung erzeugt.
Schnell bin ich in Bockswiese und bei den Flößteichen. Kurz darauf erklimme ich den Damm des Mittleren Grumbacher Teichs. Irgendwie erscheint mir der Damm in der Mitte ein wenig nach außen gebogen. Da ich daran im Moment aber nichts ändern kann, wandere ich einfach weiter. Jenseits der Straße zwischen Bockswiese und Kreuzeck macht der Weg einen Bogen in Richtung Süden. Hinter dem Parkplatz gehts deutlich bergab, ich kreuze den Harteweger Graben und bin sogleich am Unteren Kellerhalsteich. Den Damm des Teichs überquerend gelange ich kurz vor Erbprinzentanne auf die Straße nach Clausthal-Zellerfeld.
Wegfindung
Nun fehlt auf allen meinen Karten jenseits der Straße ein Stück Weg, doch ich erinnere mich, dass OpenStreetMap anderer Meinung war. Manche Wege, die bei OpenStreetMap als solche eingezeichnet sind, sind zwar mehr zu erahnen als deutlich zu erkennen, und wieder andere dort eingezeichnete Wege möchte man eigentlich gar nicht benutzen, aber nun denn, ich habe keine Wahl. Auch wenig Schnee kann eine Landschaft deutlich verändern, erst recht, wenn man versucht, einen dieser speziellen OpenStreetMap Wege zu finden. Solange ich jedoch nicht das deutliche Gefühl verspüre, auf definitiv überhaupt keinem Weg zu laufen, suche ich auch nach den kleinsten Anzeichen für ebendiesen. Mein unerschütterlicher Optimismus soll belohnt werden, denn nach ca. 200 Metern (was nicht nach viel klingt, aber viel sein kann, wenn man nicht weiß, ob man nun auf dem richtigen Weg ist) gelange ich wieder auf einen Forstweg.
Auf zur Innerstetalbahn


Einen Kilometer weiter überschreite ich die Straße zwischen Clausthal-Zellerfeld und Schulenberg und suche schon wieder den Anschluss. Ein offenbar kaum genutzter Feldweg führt nach Süden, doch dieser Weg löst sich bald in Wohlgefallen auf, und so stapfe ich über die Zellerfelder Hochebene, den eisigen Wind und etwas Schnee im Gesicht. Kurz darauf geht meine Planung auf und ich erreiche den Weg, den ich erreichen wollte. Ich wandere weiter bis zur alten Trasse der Innerstetalbahn. Nach einigen prüfenden Blicken auf Karte und Landschaft habe ich unter den immerhin fünf Wegen dieser Wegspinne den richtigen ausgemacht (obwohl ich zunächst den falschen Weg im Visier hatte). Nun tue ich also das, was ich schon lange vorhabe, nämlich auf dem Bahndamm der ehemaligen Innerstetalbahn bis Altenau zu laufen.
"Mit" der Innerstetalbahn nach Altenau


Da mich die Geschichte der Innerstetalbahn sehr fasziniert und auch bewegt, bin ich mit einer gewissen Ehrfurcht erfüllt, denn dies ist nun definitiv ein ganz besonderer Weg. Während ich die drei großartigen Viadukte bereits aus der Straßenperspektive kenne, entdecke ich nun noch einige Brücken, die über die Trasse führen und von deren Existenz ich vorher nichts wusste. Der Weg ist wirklich sehr schön zu laufen und ich nutze die Gelegenheit, endlich ein paar Fotos zu machen. Nach ca. fünf kurzweiligen Kilometern heißt es hinter der Hellertalbrücke Abschied zu nehmen. Ich biege links von der alten Bahnstrecke ab, erreiche kurze Zeit später die ersten Häuser von Altenau und wende mich dann nach Norden, um zum Okerstausee zu gelangen.
Kellwasser-Hütte

Es bietet sich mir ein schöner Blick auf den Vorstau und die Vorsperre, während ich mich anschicke, einen Teil des Okerstausees ostwärts zu umgehen. Die Kellwasser-Hütte am ersten Seitenarm nutze ich dankbar für eine erste Pause. Der heiße Kräutertee schmeckt ausgezeichnet und ich genieße die Ruhe und den bereits zurückgelegten Weg. Dass an der Hütte tatsächlich deutliche Hinweisschilder angebracht sind, die den Besucher eindringlich bitten, von Verschmutzungen unappetitlichster Art Abstand zu nehmen, führt mir wieder einmal vor Augen, dass auf dieser Welt offenbar auch viele Barbaren ihr Unwesen treiben, die der Schönheit des Harzes definitiv nicht würdig sind. Der Harz erträgt auch diese Wesen klaglos und ist damit toleranter, als ich es wohl wäre.
Wo ist der Okerstausee?


Für mich heißt es, wieder aufzubrechen und bei wieder einsetzendem Schneetreiben den Okerstausee entlang zu wandern. Das gestaltet sich ziemlich schwierig, denn vom Stausee ist weit und breit nichts zu sehen. Hinter der Vorsperre ergießt sich die Oker in ein wüstes Tal und eilt - selber völlig verdutzt - durch ihr altes Flussbett eben jenen Landstrich entlang, der eigentlich tief unter der Oberfläche des Stausees verschwunden sein sollte. Der Stausee beginnt tatsächlich erst kurz vor dem Windbeutel-König. Ich kann mich nicht errinnern, den Okerstausee jemals so leer gesehen zu haben, vielleicht hängts mit dem Neubau der Weißwasserbrücke zusammen.
Aufstieg ins Nichts
Am Kleinen Ahrendsberg ist es endgültig vorbei mit dem gemütlichen Wandern, denn nun gehts bergauf. Von ca. 420 m Höhe muss ich, vorbei am Waldjugendheim Ahrendsberg, bis 640 m Höhe beim Diabas-Steinbruch am Kleinen Steffentalskopf hinauf. Und das alles bei ziemlichem Schneetreiben. Man könnte sagen, dass hier oben der Hund verfroren ist, seit Beginn des Aufstiegs sind die einzigen Fußspuren im Schnee meine eigenen. Irgendwann gelange ich zum Rand des Diabas-Steinbruchs und stelle fest, dass dieser den Weg gefressen hat. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als einen großen Bogen um den Kleinen Steffentalskopf herum zu laufen, um auf der anderen Seite wieder auf den ehemals direkten Weg zu treffen.
Zum Elfenstein

Der weitere Weg führt mich mehr oder weniger zielstrebig zum Elfenstein, unterbrochen nur durch diverse Orientierungs- und Wegfindungshalte und eine Kräuterteerast in einer Schutzhütte (die ihren Job ausgezeichnet macht, denn das Schneetreiben hat sogar noch zugenommen). Am Elfenstein ist von der tollen Aussicht nichts zu sehen, und das dichte Schneetreiben wird unangenehm. Also müssen das Stempeln und das Fotografieren schnell gehen, und schnell gehe ich dann weiter.
Auf die ca. 450 Meter Höhe am Elfenstein folgt nun der Abstieg, ca. 220 Meter hinab nach Bad Harzburg. Die Pfade durch den entlaubten Laubwald sind aufgrund des Schnees kaum zu erkennen, dafür sind sie besonders rutschig. Irgendwie ergibt eins das andere und ich gelange tatsächlich wie geplant zur Straße “Am Silberborn”. Der restliche Weg führt mich durch den Ort zum Bahnhof. Der Zug lässt nicht allzu lange auf sich warten, und in Goslar klappt der Anschluss per Bus nach Hahnenklee gut.
Meine fünfte große Harzwanderung war wieder ein tolles Erlebnis. Diesmal kam übrigens statt meiner Nikon DSLR eine Olympus PEN E-P3 zum Einsatz mit den Objektiven M.ZUIKO DIGITAL ED 12mm 1:2.0 und 75-300mm 1:4.8-6.7. Bei den widrigen Bedingungen hat sich dieses Gespann super bewährt.
Georg Hoff, Dezember 2012